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Elementi 03: Portrait

Der Lebenshauch und was dahinter schwingt

Portrait von Rev. Dr. Luu Hong Khanh, Theologe und Sozialwissenschaftler aus Vietnam, Dir. des Departement Comparative Religions & Asian Theology in Frankfurt am Main, zum Thema Medialität und Religion

ELEMENTI: Bei welcher Gelegenheit haben Sie TRILOGOS, resp. Linda Roethlisberger und Ihre Arbeit kennen gelernt?

Dr. Luu Hong Khanh:Im Rahmen eines zweijährigen Fortbildungsprogrammes für MeditationsbegleiterInnen des “Ökumenischen Zentrums für Meditation und Begegnung - Neumühle” im Saarland/Deutschland (1996-1997) kam Linda Roethlisberger als Referentin zweimal zu unserer Meditationsgruppe: zuerst im Juli und dann im Dezember vergangenen Jahres. Bei dieser Gelegenheit habe ich Linda und ihr TRILOGOS kennengelernt. Linda konnte den grössten Teil der Wirklichkeit meiner Aura lesen und mir Botschaften meiner verstorbenen Verwandten vermitteln. Dies hat mich sehr beeindruckt und dann auch veranlasst, meine Vorstellungen über die Geisterwelt und ihre Beziehungen zu meinem Leben neu zu überdenken. “Neu zu be-denken”, bzw. eher “neu zu re-aktivieren”, denn die emanzipatorische Bewegung der 68-er Generation, der aufgeklärte Geist der Moderne und die ikonoklastische Lehre der reformiert-protestantischen Theologie haben mir in den letzten drei Jahrzehnten den “sinnlichen Draht” sowie die “aussersinnliche Schwingung” zur geistigen Welt grössten Teils geraubt.

Können Sie uns sagen, was Sie zu diesem Beruf geführt hat?

Ja, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Als zwölfjähriger Bube hatte ich die “Stimme” der Berge gehört und packte dann heimlich ein paar lebensnotwendige Dinge ein, um mich auf den Weg für eine Lebensreise in Richtung der Horizonte einer anderen Welt zu begeben. Die damaligen Umstände liessen meinen Vater aber mein Vorhaben erahnen. Nach langen und ernsten Überlegungen – respektierte mein Vater meine “innere Stimme”, bewegte mich aber, statt allein in die Berge, zu den in aller Hinsicht benachteiligten Massenbevölkerungen als zukünftiger Pfarrer und “Seelsorger” zu gehen. Dieser Lebensweg eines “Vermittlers” zwischen den beiden Welten – der “sinnlichen” und der “aussersinnlichen” – hat mir und vielen Menschen, denen ich seitdem begegnete, sehr viel Glück und Freude geschenkt.

Welche Rolle spielt die Medialität in Ihrem Leben?

Vor 30-40 Jahren hatten wir – in meinem Heimatland Vietnam – noch kein modernes begriffliches Instrumentarium wie in den heutigen tiefenpsychologischen Wissenschaften in Europa, um die “Medialität” zu bezeichnen. Wir hatten aber doch eine wirklich “mediale” Arbeit durchgeführt. Durch die Weltanschauungen unserer traditionellen Ahnenreligion, unserer nationalen Heldenverehrung und geistigen Kulte der Genies und der heiligen Weisen sowie durch die christliche Spiritualität und Frömmigkeit – insb. katholischer Prägung – in bezug auf Gott, die Engel, die Heiligen und die Vorausgegangenen, lebte ich ständig unter der Führung und der Hilfe der geistigen Wesenheiten, Mächte und Kräfte. Vor jedem Unternehmen konsultierten wir die Geister, baten sie um ihren Beistand zur Durchführung unserer Aufgaben und bedankten uns für jede gelungene Tätigkeit. Wie war es dann mit den misslungenen Wünschen und Anliegen? Wir übten dann Vertrauen in die Weise und unmittelbare Führung der Geister und des Allerhöchsten und öffneten uns vor ihren unergründlichen Geheimnissen. Dieses Sich-Öffnen zur geistigen Welt war uns aber kein goldenes Schlaraffenland. Wir lebten nach dem Motto: Handle, wie wenn alles von dir abhängt, und vertraue, wie wenn alles dir geschenkt ist. Wir lebten ganz in der Überzeugung, dass wir uns ständig in der Kommunion mit der Geisterwelt befanden, dass uns ein himmlisches Mandat anvertraut worden war und dass die Geschichte einen Sinn in der göttlichen Selbst-Offenbarung hatte. In den 60er Jahren wehte ein “aufgeklärter” Wind aus dem “aufgeklärten” Europa zu uns: Ist solcher Glaube an die Geister nicht der Aberglaube? Ist solches Vertrauen an die Verstorbenen nicht Selbst-Täuschung und Selbst-Entfremdung? Passé ist nun die Schamanen-Arbeit, der Kult der Genies, die Heldenverehrung, die Ahnenkonsultation, die Beistandshilfe von Engeln, Weisen und allerlei Heiligen. Passé ist gleichfalls das himmlische Mandat, die göttliche Vorsehung, die offenbarte Heilsgeschichte! Wir leben nun in einer “hochtechnologischen Welt”, in einer “selbständigen Menschengeschichte” und streben nach Glück und Erfolg durch Vernunft, Rationalität, Planmässigkeit und experimentelle Nachprüfbarkeit!

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Weltreligionen – besonders in Europa?

In den vergangenen fünf Jahren habe ich durch meine berufliche Tätigkeit in den Bereichen der Interkulturalität und der vergleichenden Religionswissenschaften wieder Kontakt mit meinen asiatischen Kulturen, Traditionen und Religionen aufgenommen. Ich vertiefe mich in Laotses Tao Te King, übe Yoga und die buddhistische Meditation wie Zen, Vipassana, anapanasati, satipatthana und praktiziere christliche Kontemplation wie die des Herzensgebets der Hesychasten und die eines Meister Eckhart.

Ich verfolge leidenschaftlich die neuen Erkenntnisse über die Entwicklung des Bewusstseins, die Formen des Geistes, die Evolution des Kosmos, die Naturwissenschaften, die tiefsten Schichten des Unbewussten, und bin sehr oft verblüfft über vergleichbare Formulierungen in diesen modernsten Wissenschaften und in manchen buddhistischen Sutras der früheren Jahrhunderte.

Es wurde nun schon oft und viel über Dialoge der Religionen gesprochen. Gedanken stellen sich an, wie z.B. die Chance für den Islam, eine “Reformation” durchzuführen, oder die Notwendigkeit für das Christentum, eine “Weltkirche” zu realisieren – nicht im Sinne einer “expansionistischen” Bekehrungs- und Beherrschungspolitik, sondern in der Richtung einer bescheidenen Aufgeschlossenheit, die Werte anderer Religionen zu respektieren und zu empfangen. Es wurde gefragt, warum die monotheistischen Religionen wie das Judentum, das Christentum und der Islam meistens sehr aggressiv sind, während der Buddhismus, der Hinduismus oder der Taoismus eher toleranter sind. Vorschläge wurden gemacht, vergleichende Mystikformen und Meditationsmethoden in Ost und West wie Yoga, Zen, Chassismus, Sufismus, die christliche Mystik der Wüstenväter und der mittelalterlichen Jahrhunderte mit ihren anthropologischen Hintergründen – die letztendlich sehr konvergent zu sein scheinen – zu untersuchen und sie sich gegenseitig bereichern zu lassen.

Das sehr stark “männlich” geprägte Christentum des Okzidents würde sicher sehr viel davon profitieren, wenn es die “weiblichen” Komponenten der orientalischen Religionen aufzunehmen wüsste.

Die oft vorgetragene Bezeichnung von “Ökumene” und “kosmischem Bewusstsein” würde dann gerechter dargestellt und gelebt werden.

In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich viele westliche ChristInnen Lebenswerte und -praxis aussereuropäischer Traditionen mit sichtbar glücklichem Vollzug angeeignet. Dies bleibt aber eher an der Basis und in individueller Initiative. Durch grosse “Berührungsängste” oder sogar mit kreuzzugartigen Verteuflungen halten Kirchen als Hierarchien und Institutionen aber oft noch an ihrem Absolutheitsanspruch fest. Das “Internet” der modernen Mediengesellschaft macht uns mit den Begriffen von “hard ware” und “soft ware” vertraut. Es würde uns sehr helfen, wenn Menschen heute über die “hard ware” der physischen Naturwissenschaften hinaus, auch die “soft ware” der “seelischen” Disziplinen und die “transcendental ware” der geistigen, d.h. der mystisch-spirituellen Welt wahrnehmen, verstehen und erleben könnten.

Diese Zeit wird kommen – ich sehe sie schon am Horizont aufscheinen –, wo Kenntnisse, Verständnisse, Erfahrungen und Visionen mystisch-spiritueller Menschen, Traditionen und Religionen, die auch in den ausserchristlichen Offenbarungen, wie in den sog. Apokryphen, den gnostischen, “häretischen” und “esoterischen” Traditionen Gestalt gewinnen, für uns ChristInnen Realität werden. Dies würde uns eine neue Ära der Menschwerdung mit multiplen und pleromatischen Bewusstseinsschichten und -dimensionen schenken und uns besser erfahren lassen, wie sich die Schöpfung so überreichlich entwickelt und verbreitet hat. Sind die hier angestellten Vorstellungen nur fromme Wünsche, billige Gedanken oder abstrakte Ideen? Die Frage, die mir ELEMENTI stellte, lautete:

Wie verbinden Sie Ihre spirituellen Erfahrungen mit Ihrem persönlichen Anliegen?

Diese Fragestellung scheint mir in sich schon sehr stark dualistisch. Mein spirituelles Leben liegt nicht ausserhalb meines alltäglichen Lebens. Meine spirituellen Erfahrungen ereignen sich durch meinen Leib, meine Seele und meinen Geist hindurch. Ich erlebe die geistige Führung, den göttlichen Impuls, den “aussersinnlichen” Beistand hier und jetzt, quer durch jedes Ereignis, jede Sache, jedes Ding, jede Begebenheit, jede Freude wie jedes Leid und jeden Schmerz. Es geht nicht um verschiedene “Stockwerke” des Lebens, sondern um “Dimensionen”, “Perspektiven”, “Qualitäten” desselben “Lebensstockwerks”. “Unzählbar sind die Tore der Wahrheit”, wie es in den buddhistischen “Vier Grossen Gelübden” steht.

Ich kann noch ein “Lebensgeheimnis” verraten, was eigentlich schon in den Veden wie im Frühbuddhismus, am Tag der biblischen Schöpfung wie am Pfingsttag der christlichen Urgemeinde ganz “simpel” aber “wesentlich” geschehen ist, aber dann von der “aufgeklärten” Vernunft meistens ignoriert oder verachtet worden ist: Wir sprechen die ganze Zeit über die “geistige” Welt, über die “Geister”-Welt, über Körper, Seele und “Geist”, über den “Geist” Gottes. Dieser “Geist” – ruach, pneuma –, der aber das Leben aller “Dimensionen” hervorruft, bedeutet eben Hauch, Atem, Wind, Sturm. Es ist nicht von ungefähr, dass die indische wie auch die chinesische Weisheitslehre so viel Gewicht auf prana und Qi gelegt und unterstrichen hat. Meine spirituellen Erfahrungen haben meistens ihren Ursprung und ihren Verbleib nicht weit entfernt von dem Atem meines alltäglichen Lebens. Der Atharva-Veda-Vers “Alles hat in ihm (Atem) seinen Ursprung” schwingt wie die Resonanz zu dem Bibelwort “Da machte Gott der Herr den Mensch aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch

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