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Elementi 14: TRILOGOS Forum - Ich lebe

Reihe von Tönet Töndury: Eine Folge von Fragen und Gedanken

Selbstsicher zeichne ich das Dreieck "Körper - Seele - Geist" und erkläre, dass diese drei Elemente uns zu einem Ganzen machen, und dass ihr Zusammenspiel unser Leben ist. Ich erfasse das menschliche Individuum mit drei Begriffen und hauche ihm Leben ein, indem ich diese drei Begriffe in eine dynamische wechselseitige Beziehung setze. Das ist abstrakt, ein Denkmodell, das meinen Kopf, meinen Verstand beschäftigt, ihm eine Erklärung gibt für ein unfassbares Wunder. Da ich selber ein solches Dreieck "Körper - Seele - Geist" bin und lebe, sollte ich dieses eigentlich spüren, irgendwie an mir oder in mir erfahren können. Aber ich fühle mich nicht als Dreieck, schon gar nicht als ein ausgewogenes Ganzes. Ich spüre viel eher die Irritationen, wenn sich die Gewichte zwischen Körper - Seele - Geist verschieben, Unausgewogenheit entsteht. Vielleicht sind diese ständigen Irritationen das Zeichen dafür, dass "ich lebe"?

Lebe ich? Gibt es Kriterien, die mir die Sicherheit, den unzweifelhaften Beweis liefern, dass "ich lebe"? Ist mein Leben ein absoluter Wert, lebe ich nur als Ich, auch ohne Bezug auf mein Umfeld? Oder kann ich mein Leben nur mit Bezug auf mein Umfeld erfahren, ist es also ein relativer Wert? (In einem modernen Zug, in voller Fahrt kommt mir das Fahrgefühl leicht abhanden. Nur wenn ich durch das Fenster die vorbei flitzenden Bäume sehe, von denen ich weiss, dass sie in der Erde fest verwurzelt sind, realisiere ich, dass sich der Zug bewegt und ich mit ihm).

Wir stellen zumindest sprachlich fest, dass "ich lebe" das Gegenteil von "tot" ist. Gleichzeitig glauben und hoffen wir aber, dass Leben ewig währt. Es muss sich also um zwei verschiedene, um ein sterbliches und ein unsterbliches Leben handeln, die zusammen erst das "Ich lebe" ausmachen. Die Zellen unseres Körpers sterben und es entstehen neue Zellen, unsere Gefühle sterben/verschwinden und es entstehen neue Gefühle, unsere Gedanken sterben/gehen vergessen und es entstehen neue Gedanken, wir werden (leider selten) geistig erleuchtet und sind schon wieder im Dunkel, die Erleuchtung erlischt. Dieses ständige zum Leben Geborenwerden und zum Tode Verlöschen meiner Bestandteile gehören zum Grundstock meiner Erfahrungen, dem ich gar keine Beachtung schenke, der keinen nachhaltigen Einfluss auf mich hat. Ich bin erleichtert oder bedrückt, gesund oder krank, dem Geistigen geöffnet oder verschlossen, aber ich zweifle nicht daran, dass "ich lebe". Nach dem biologischen Tod meines Körpers - wie fühlt sich das ewige Leben an? Und wie war es im Mutterleib, als alles auf werdendes Leben deutete - war mir das "Ich lebe" bewusst? Die Feststellung "ich lebe" hat viel mit Wahrnehmung und Bewusstsein zu tun. Beide finden im Hirn statt, sind also körperliche Funktionen und auf einen entsprechend entwickelten Körper angewiesen.

Die Geburt ist die Initiation zum "Ich lebe", das Schlüsselereignis mit Ort und Datum. Ich habe aber schon vor der Geburt gelebt, körperlich sichtbar vom Moment der Befruchtung an. Vielleicht habe ich auch schon vor der Befruchtung gelebt je zur Hälfte in Eizelle und Samenzelle, die sich unbedingt finden und zu einem Ganzen vereinen mussten. Ich kenne weder mein vorgeburtliches Umfeld noch mein Umfeld vor meiner Zeugung, ich habe auch den Moment der Vereinigung meiner beiden Hälften bei der Befruchtung nicht in Erinnerung, obwohl in diesem Moment das körperliche Individuum "Ich" entstanden, lebendig geworden ist. Gemäss Wahrscheinlichkeitsrechnung bin ich das Produkt eines ganz winzig kleinen Zufalls, der mit einer Zahl gar nicht beziffert werden kann. Man stelle sich nur vor: diese immense Zahl von Menschen seit der Erschaffung von Adam und Eva, die ihr Erbgut in beliebiger Kombination (es braucht zur Zeugung immer nur ein weibliches und ein männliches Individuum) zusammenbrachten, und diese noch viel grössere Zahl von Eizellen und Samenzellen, die gebildet und verworfen wurden, einfach unbenutzt blieben!

Wenn mein Leben durch die Realisierung einer im voraus bestimmten Kombination von Chromosomen seinen Anfang nahm, so frage ich mich: Wer oder was führte durch diesen unentwirrbaren Knäuel der unendlich vielen Möglichkeiten zur Bildung meines im voraus bestimmten Genoms? War es Gott, der Schöpfer, der Geist, die Seele? Oder wählten Geist und Seele erst nachträglich einen beliebigen Körper, nachdem dieser durch die beliebige Kombination von irgendwelchen Chromosomen entstanden war und sich als lebensfähig erwies? Für meine Vorstellung wäre dies die einfachere Möglichkeit gewesen.

Durch die Befruchtung ist ein für die Sinne wahrnehmbarer Körper entstanden. Heute würde er indiskret mit Ultraschall beobachtet und gemessen, um sein Alter seine Entwicklung und seine Normalität zu bestimmen. Seele und Geist können durch Ultraschall nicht sichtbar gemacht werden, auch die Hände spüren sie nicht, trotzdem veranlassen sie eine Veränderung der Mutter, weniger deutlich auch des Vaters: Das sich entwickelnde Leben hat Einfluss auf ihre Seele, macht sie offener, empfänglicher, reicher. Das kann ein seelen- und geistloser Körper nicht tun. Unsere Mediziner sagen, das sei eine Auswirkung der hormonellen Veränderungen. Das stimmt - aber die Hormone sind das Instrument, nicht die Urheber, und die Mutter - Kind - Vater - Beziehung dauert über den Tod hinaus, besteht auch, wenn das Kind vor seiner Geburt stirbt. Da muss eine grössere Urheberschaft dahinter stehen.

Körperliches, biologisches Leben entsteht und wird wieder verworfen, die Kontinuität ewigen Lebens kann deshalb nicht im Körperlichen liegen. Liegt sie in der "Seele", die - unbeirrt vom Kommen und Gehen des Körpers - Ausdruck des Ewigen und Zeitlosen ist? Die Seele lebt seit allem Anfang und wird immer leben - wir glauben es und vertrauen darauf auch ohne logischen Beweis. Tat und tut sie das als Individuum oder im Kollektiv? Ist das Universum gefüllt von Einzelseelen, wie es die Erde mit Menschen ist? Lebe ich als Seele immer fort als das Individuum, das ich im jetzigen Leben zu sein glaube? Mir gefällt das Bild vom Wassertropfen besser, der sich aus dem Zufall bildet, während seiner Lebensreise durch physikalische Kräfte als Individuum zusammengehalten wird und schliesslich ins Meer fällt. Er fügt dem Meer alle seine Eigenschaften von der Reinheit des Wassers bis zum Umwelt belastenden Russpartikel zu und zerfliesst selber in den Eigenschaften aller anderen Wassertropfen, die das Meer ausmachen, löst seine Individualität auf. Im Seelenmeer oder (erhabener ausgedrückt) in der Weltenseele halten sich alle noch nicht Gezeugten/Geborenen und alle Gestorbenen auf ohne Struktur und individuelle Grenzen, nur als "darin Enthaltene", wie der Wassertropfen im Meer. Jede Seele hat sich und ihre Erfahrungen eingebracht und hat Teil an den Erfahrungen aller anderen Seelen. So entsteht eine kollektive, universale Erfahrung, die die Entwicklung des Universums ausmacht und zu der auch wir im Diesseits über unsere geistige Verbindung Zugang haben.

Ist es ein "Ich lebe", wenn meine Individualität fehlt, wenn ich in der Weltenseele zerfliesse, oder ist es nur "Leben"?

Die Individualität erfahre ich als etwas Eigenartiges: Ich weiss, dass ich "Ich" bin, und schon mein Spiegelbild, meine Stimme auf dem Tonband sind mir fremd. Ich spreche mit mir in der 2. Person, ich spreche von mir in der 3. Person. Ich zerteile mich in meiner Eigenbeobachtung in verschiedene Teile und es gibt keinen Moment, in dem ich mir bewusst als Ganzes begegne und ganz in mir aufgehe. Immer stehe ich mir selber gegenüber, bin mein eigenes Vis-à-Vis. Ich erfahre mich nicht als "mich" sonder als den "nicht anderen". Ich nehme mich durch meine Abgrenzung von meinem Umfeld, durch meine Beobachtung der Mitmenschen, Tiere, Pflanzen, von allem Gegenständlichen wahr. Ich definiere den Puzzlestein, der ich bin, durch die Puzzlesteine, die ich nicht bin. Ich definiere mich also als die Lücke im Puzzle, die für mich ausgespart ist: Ich spüre meine äusseren Grenzen, die mir die Gewissheit "ich lebe" geben. Das Innen entzieht sich mir, bleibt vage Hoffnung.

Der Körper ist das mit unseren Sinnen wahrnehmbare Korrelat des Lebens, der Körper und seine Funktionen sind der Beweis, dass "ich lebe". Die Pflege, die Ernährung, die Kleidung meines Körpers, seine biologischen Äusserungen, sein Transport und seine Beschäftigung bestätigen mir und der Mitwelt nicht nur, dass "ich lebe", sie nehmen mich auch tüchtig in die Pflicht. Der Körper ist der produktive Ausdruck meines Lebens. Dazu gehört auch das Gehirn mit allen seinen Fähigkeiten, dem Denken, dem Verstand, der Wahrnehmung, der bewussten Erinnerung. Weil ich mich selber wahrnehme, drängt sich mir die Frage auf: Welcher Teil von mir nimmt mich wahr? Braucht es dazu nicht einen Teil ausserhalb von mir, sogar ausserhalb meines (irdischen) Lebens, der mich beobachtet und kommentiert? Tut das vielleicht die Seele? Oder geht das über die Verbindung mit dem Geistigen, über die Nabelschnur, durch die uns alle Informationen zufliessen, über den Draht für die Fernlenkung des Lebens?

"Körper - Seele - Geist" - das Dreieckmodell stimmt nur, wenn "Geist" der intellektuelle Verstand im Gegensatz zur fühlenden Seele ist. Im Zusammenhang mit "ich lebe" ist Geist aber die übergeordnete Dimension, nicht Teil des Individuums, das - was im Modell auch nicht zum Ausdruck kommt - von seiner Mitwelt geprägt ist, sich ohne Mitwelt nicht definieren kann.

"Körper - Seele - Mitwelt - Verbindung zur Geistigen Dimension" dieses Zusammenspiel ist Ausdruck davon, dass "ich lebe".

"Geist" ist nicht ein Teil meines individuellen Lebens, ich spüre nur seine Wirkung als Intuition, als Inspiration, als bedingungslosen Liebe, als fragloses Vertrauen. "Geist" nimmt mich wahr und erstattet Rückmeldung, indem er erzeugt, veranlasst, verbindet, organisiert, ordnet, er ist der Antrieb, Lenker und Wahrer meines Lebens. Bricht die Verbindung zur Geistigen Dimension ab, entstehen totale Verwirrung und Hilflosigkeit, das Ende der Selbstwahrnehmung, das Ende des individuellen Lebens. Der Körper stirbt und gibt alle seine Bestandteile der Erde und ihrer Atmosphäre zurück. Die Seele geht ein in die Weltenseele, bringt alle Erfahrungen des irdischen Lebens mit, sodass diese Allgemeingut werden und alle Seelen, die sich für ein Erdenleben zum Individuum formieren oder kristallisieren, diese Erfahrungen mitnehmen, während des irdischen Lebens über die Geistige Verbindung anzapfen können. Die Erfahrungen sammeln sich in immer rascher wachsender Weise, wie sich das Wasser aus den unzählbaren und unscheinbaren Quellen hoch in den Bergen zu Bächen, Flüssen und zum mächtigen Strom sammelt, der sich schliesslich ins Meer hinein öffnet.

Bei der Geburt zum irdischen Leben, ist die Seele also kein unberührtes Kind, sie trägt die ganze universelle Erfahrung in sich. Wir realisieren diesen Erfahrungsschatz ebensowenig wie unsern fehlerlos funktionierenden Organismus, unsere Wahrnehmung wäre dazu nicht gross genug. Erst allmählich im Verlaufe des Lebens stellt sich das Staunen über unser reiches Wissen ein, das wir nicht zu lernen brauchten. Unser Verstandeswissen (Rechnen, Lesen, Schreiben und alle ihre Anwendungen) hingegen muss in jedem Leben mehr oder weniger mühsam neu erlernt werden und geht verloren, wenn es nicht durch materielle Datenspeicher weitergegeben und durch Verstandesmenschen weiterentwickelt wird.

Die Seele manifestiert "ich lebe" durch die mir innewohnende Erfahrung, für die ich keine verstandesmässige Erklärung habe. Ich erlebe sie in meinen Gefühlen, Stimmungen und im untrüglichen intuitiven Urtei für das Richtige und das Falsche. In einem nie endenden versöhnlichen Dialog oder erbittertem inneren Kampf setzt sich mein Verstand, mein angelerntes intellektuelles Wissen mit meiner Intuition, meinem mitgebrachten universellen Wissen auseinander. In unserer kopflastigen Gesellschaft dominiert der Verstand. Führt mich der Verstand aber zu weit vom Ziele meines Lebens weg, so holt mich die Seele mit diskreten Zeichen oder - wenn ich diese ignoriere - mit unerbittlichen Schicksalsschlägen auf meinen Weg zurück. "Ich lebe" gleicht dem Kochtopf auf dem Feuer: Ist das Feuer zu schwach, bleibt das Gericht roh. Wärme ich zuviel, so hebt sich der Deckel und das Gericht kocht über. Lebenslänglich sind wir daran, das Feuer anzufachen und wieder zu drosseln, Phasen des Auf-/Ausbruchs wechseln mit Phasen der Ruhe, des Geschehenlassens. Vereint mit meiner Seele leben, das Leben der Seele bewusst erfahren, das ist das Wesen meines Seins. Über die geistige Verbindung bringt die Seele die universelle Erfahrung in mein Leben herein und nimmt meine neu gemachten Erfahrungen dereinst in die Weltenseele zurück: das Leben entsteht nicht aus dem Nichts (vor der Geburt) und endet nicht im Nichts (nach dem Tod), es kommt aus der unendlichen Erfahrung und entwickelt sich zum Nochmehr. Damit sich die Seele in diesem Leben entwickeln kann, muss ich im Einklang auch mit meinem Körper leben, denn der Körper ist das Instrument, dessen sich die Seele bedient: Ich muss die Sprache der Seele durch die körperliche Wahrnehmung entschlüsseln, durch den Verstand interpretieren und in der meiner Entwicklung und meiner Mitwelt dienlichen Weise umsetzen. Das ist nicht einfach, denn die Seele verfügt über eine grosse Palette von Ausdrucksmöglichkeiten, die ich oft nicht erkenne, die mein Verstand oft nicht versteht.

"Ich lebe" ist einfach Leben, solange ich, wie das Kleinkind, nach keiner Erklärung frage. Sobald ich aber über den Verstand zu leben lerne, indem ich nach Ursache und Wirkung, nach den Zusammenhängen forsche, wird das Leben unendlich kompliziert. Schon das einfache Schema:

  • "ich lebe" als Körper -
  • "ich lebe" als Seele -
  • "ich lebe" als Teil meiner Mitwelt -
  • "ich lebe" durch meine Geistige Verbindung

überfordert mein Bewusstsein, macht das Leben zu einer Anstrengung. Im Schlaf erhole ich mich, weil ich dort einfach lebe ohne Wissen, ohne Einflussnahme. Dieses Wechselspiel ist meine Triebfeder, ist für mich der Beweis, dass "ich lebe".

Tönet Töndury
Schlössliweg 14, CH-8702 Zollikon
e-mail: toendury [at] gmx.net

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