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  • Elementi 32: TRILOGOS Spezial - Hilfswerk: Blick zurück

    Ein Reisebericht von Linda Roethlisberger

    Donnerstag, den 16. November 2006, 7.30 Uhr:
    Unsere Maschine der Emirates hebt leicht vom Flughafen in Peshawar / Pakistan ab und fliegt Herrn Dr. Locher, den Begründer und Leiter des bereits 19 jährigen Hilfswerks SAA (Swiss Aid for Afghans), Michael Weiss aus Wien und mich über Dubai wieder zurück nach Zürich. Erfüllt von unvergesslichen, berührenden Erlebnissen nutzen wir den langen Flug zum weiteren Verdauen all unserer tiefen Eindrücke ...

    Ganze sechzehn Tage waren wir gemeinsam unterwegs - «im Land, wo Gott nur hinkommt um zu weinen ...» . Am 2. November landeten wir am Morgen früh in Peshawar, inkl. 90 kg Dias und Diaprojektoren für die Schulen des Hilfswerks. Unser Empfangskomitee, Herr Prof. Safi, der heutige Besitzer (seit 2004) und Schulleiter der aktuell 6 Schulen, Wahid sein Sohn, Jamal und Yar Mohammad, zwei treue Mitarbeiter sowie Sharaffudin unser Driver, hiessen uns herzlich willkommen. Nach Hotelbezug ging's sofort weiter ins Head-Office des SAA - die erste Sitzung konnte starten.

    Orientierung und diverse Informationen über aktuelles Geschehen, Probleme und Sachverhalte über die verschiedenen Projekte des SAA in den afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan (Peshawar und Quetta) sowie in Süd-Afghanistan (Jalalabad und Kandahar) boten uns schon zu Beginn unseres Besuchs einen tiefen Einblick in den vielfältigen Alltag dieses beachtlichen Unternehmens. Dieses dort nur von Afghanen geführte Werk wird hauptsächlich von Schweizer Spendern finanziert, während die Schulen nun Prof. Safi gehören. Alle andern Hilfsprojekte, auch die Schulen, werden weiterhin achtsam vom strengen, sehr erfahrenen und wohlwollenden Argusauge von Dr. Locher geleitet. 
    «Kühnheit - Ausdauer - Härte» (auch sich selber gegenüber) und «KKK» (kommandieren, kontrollieren, korrigieren) prägen den Führungsstil von Dr. Locher - ganz im Sinne von Friedrich Nietzsche «Wer sich auf andere verlässt ist verlassen». Ob es dem schon seit fast zwanzig Jahren Pensionierten wohl gerade deshalb und vor allem durch seinen uneigennützen, unermüdlichen Einsatz bis heute so gut gelungen ist, Tausenden von Kindern, Jugendlichen, Waisen, Witwen und Behinderten zu helfen? 

    Herr Locher aus Biel hat mit dem Bau seiner ersten drei sauberen und gut organisierten Wüstenschulen vor neunzehn Jahren einen wichtigen Meilenstein in der modernen Geschichte Afghanistans gesetzt. Nebst dem kontinuierlichen Bau von Primarschulen und Gymnasien für afghanische Flüchtlinge iniziierte er immer wieder verschiedenste andere Projekte in Peshawar sowie in Quetta: u.a. Nähkurse für Witwen und behinderte Männer, Handwerkerlehren, Verteilen von Steppdecken und Almosen sowie Nahrung für Waisenkinder, Behinderte und Obdachlose, «Homeclasses» für Mädchen, Erste-Hilfe-Kurse etc. 
    Einige ehemalige Studenten des SAA haben mittlerweilen Karriere gemacht und nehmen verantwortungsvolle Posten, wie beispielsweise das Präsidium der Elektrizitätswerke in Kabul/Afghanistan ein oder sind Vize-Präsidenten anderer grossen Gesellschaften geworden.
    Auch Anwälte, Ärzte, Lehrer oder Schmuckverkäufer und Handwerker im eigenen Geschäft findet man unter den Ehemaligen vom SAA. Eindrücklich für uns auf dem Markt zu erleben, wie « der Flüchtlingsvater Dr. Locher» durch sein unermüdliches, bescheidenes und stille Wirken und Bewirken ein Begriff in dieser Stadt und dadurch für Tausende von Menschen geworden ist ... 

    Am nächsten Tag nach unserer Ankunft begann dann unsere eigentliche Mission: Die Kontrolle der 6 Schulen in Peshawar war angesagt. Hygiene (sauberes Wasser und WC, geklopfte Teppiche in jedem «Schulzimmer», gewaschene Kinder), ordentlich präparierte Pausenplätze und Weitsprunganlagen, pünktliches Erscheinen zum Unterricht, gut geführte Absenzen- und Präsenzlisten der Schüler, nicht überfüllte Klassen (zum Teil mussten wir Klassenbestände von 50-60 Schülern auf 35 bei den Gymnasien sowie auf 45 bei den unteren Klassen reduzieren), Einhalten des mit Prof. Safi früher vereinbarten Stundenplans, Kontrolle des Schulmaterials (ein Bleistift, ein Gummi, ein Spitzer oder Kugelschreiber und die Hefte), sorgfältige Korrekturen des Lehrers sowie die von Herrn Locher zusätzlich eingeführten Pflichtfächer «Practical Psychology», («knowledge of life») sowie Lerntechnik überprüfen, Lehrerkonferenzen halten, Anleitung und Hilfe zum Netzwerk-Aufbau der Jugend nach Heimkehr in ihr Land geben - und vieles mehr.
    Insgesamt ca. 2'700 Schüler, davon max. nur 100 Schülerinnen(!) und ihre total ca. 70 Lehrer sowie Headmasters und Directors haben wir besucht und kontrolliert.

    Aus Gründen politischer Unruhen war uns die Reise zu den vielen anderen Projekten des SAA nach Quetta im Süden Pakistans sowie Jalalabad (Homeclasses etc.) und Südafghanistan diesmal leider verwehrt. Herr Haroon Wardak, der junge Leiter der verschiedenen Projekte in Quetta und Südafghanistan, hat uns aber während drei Tagen besucht, informiert und begleitet: Vieles konnte wenigstens erörtert, neu strukturiert oder konsolidiert werden. Herr Wardaks integeres und bescheidenes Auftreten hat uns alle tief beeindruckt; vielleicht deshalb, weil er den Sinn seines Lebens gefunden hat? Ein Überfall von Talibans hat ihn schwerst verletzt: 5 Schusswunden haben auch innere Organe getroffen. Nach langem Genesungs- und Heilungsprozess ist es heute sein stiller Mut und seine tiefste Überzeugung, die Spuren hinterlässt: Haroon und sein Team in Quetta leben 200% für SAA und setzen sich bedingungslos sowie innovativ für die Armen der Ärmsten ein. Ganz nach ihrem hervorragenden Leit- und Vorbild Dr. Locher aus Biel.

    Persönlichkeits- und Bewusstseinsbildung scheinen Prof. Safi sowie Haroon Wardak sowie ihren Teams natürlich gegeben zu sein. Mögen auch sie für immer mehr Menschen zum verantwortungsbewussten, motivierten Leitbild werden. So kann auf dem soliden Fundament des SAA Schritt für Schritt am inneren sowie äusseren Frieden weiter gearbeitet und gebaut werden - damit es den immer noch ca. 2,5 Mio. in Pakistan lebenden Flüchtlingen bald gelingt, langsam aber sicher zurück in ihre Heimat zu kehren, um mit neuer Moral ihre Heimat wieder aufzubauen.

    Ich freue mich als SAA-Vorstandsmitglied heute schon auf meine nächste Reise zu den afghanischen Flüchtlingen und bin überzeugt davon, noch viele weitere, lehrreiche, schöne und interessante Überraschungen vom SAA und seinen lokalen Projekten erleben zu dürfen!
     

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