Bauchgefühl, sechster Sinn, mediale Anlagen, gefühltes Wissen oder Erkenntnis des Unbewussten - mit all diesen Umschreibungen ist nur eins gemeint: die Intuition. Eine Fähigkeit, die dem Menschen gegeben ist, die er aber nicht immer zu nutzen weiss.
Schon für Pythagoras und Archimedes war die Intuition ein wertvoller Bestandteil der Erkenntnisgewinnung. Der holländische Philosoph Baruch Spinoza nannte sie sogar - "die höchste Form der Erkenntnis".
Der Mensch trifft seine Entscheidungen nicht immer allein rational und systematisch. In vielen Fällen spielt das gern zitierte Bauchgefühl eine wesentliche Rolle dabei. Im Alltag müssen wir ständig Entscheidungen treffen. Doch oft fehlt die Zeit, um ausgiebig das Für und Wider abzuwägen Ob bei der Parkplatzsuche, beim Einkauf oder bei der Auswahl unserer Kleidung, wir greifen meist ohne langes Nachdenken zu.
Unser Gehirn sammelt täglich millionenfach unbewusst Informationen, die es sortiert und bewertet, um sie schliesslich nach Wichtigkeit abzuspeichern. Das Erstaunliche ist dabei die Tatsache, dass die Intuition aus dieser Wissensflut die entscheidenden Informationen herausfiltern kann, die in einer Situation X wichtig sind. In Sekundenschnelle vergleicht das Unbewusste die Wahrnehmung mit abgespeicherten Fakten und stellt eine Verknüpfung mit unserer Erwartung her.
Ein Autofahrer fährt beispielsweise immer die gleiche Strecke von der Arbeit zu seiner Wohnung. Selbst wenn er durch Gedanken oder ein Gespräch mit einem Beifahrer abgelenkt ist, nimmt er unbewusst immer die gleichen Abzweigungen. Einer Eingebung folgend fährt er eines Tages eine andere Route und stellt im Nachhinein fest, dass seine Alltagsstrecke durch einen Unfall blockiert war. Rational lässt sich diese Reaktion nicht erklären. Der Mann ist einfach seinem "Bauchgefühl" gefolgt.
Intuitiv veranlagte Menschen haben eine höhere Aktivität der rechten Gehirnhälfte Während die linke Gehirnhälfte Logik und Ratio beheimatet, leben sich Kreativität und Instinkt rechts aus.
Das Dritte Auge
Mit Hilfe eines Kernspintomografen haben Kognitions- und Neurowissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Leipzig Tests durchgeführt, um die Region des Gehirns zu orten, in der die Intuition sitzt. Die befindet sich - spirituell interessierte Leser wird das nicht überraschen - über dem Augenbereich, hinter der Stirn, wo das so genannte dritte Auge sitzt. Medialer orbitofrontaler Cortex heisst dieser Bereich in der Fachsprache.
Am Universitätskrankenhaus Zürich führte der Neurobiologe Peter Brugger ein Experiment durch, das zeigen sollte, ob es Unterschiede in der Wahrnehmung medial begabter und eher rational veranlagter Probanden gibt. Die Versuchsteilnehmer wurden penibel ausgesucht und in zwei Gruppen aufgeteilt. Gruppe A glaubte fest an übersinnliche Wahrnehmung, Gruppe B stand der Parapsychologie mit grosser Skepsis gegenüber Professor Brugger setzte die Versuchspersonen vor einen Monitor. Auf dem Bildschirm war ein Pfeil zu sehen, der mal nach rechts oder links bzw. oben oder unten zeigte. Die Teilnehmer sollten erraten, in welche Richtung der Pfeil als nächstes zeige würde. Der scheinbar willkürlichen Bewegung war ein spezielles Muster überlagert, an dem Brugger die Richtigkeit der Aussagen prüfen konnte. Es stellte sich heraus, dass Gruppe A-die Probanden mit einem Glauben an übersinnlich Wahrnehmung-eine höhere Trefferquote hatte als Gruppe B. Brugger führt dieses so genannte implizierte Lernen auf eine ausgeprägte Fähigkeit versteckte Muster zu erkennen, und eine gesteigerte Kreativität zurück.
Bruggers Annahme wurde durch einen weiteren Versuch noch bestätigt Diesmal wurde dem Pfeil kein Muster mehr überlagert. Er erschien völlig willkürlich auf dem Bildschirm. Und wieder hatte Gruppe A die höhere Trefferquote. Der Wissenschaftler sieht darin auch ein überbleibsel eines Urinstinkts. Das Erkennen von Mustern war in grauer Vorzeit und ist heute noch bei vielen Naturvölker lebensrettend. Wer glaubt, ein Raubtier im hohen Savannengras zu erkennen, macht sich schnellstens vom Acker. Selbst wenn keine Raubkatze da ist, hat er im Zweifel dennoch sein Leben gerettet. Besser einmal mehr die Beine in die Hand genommen, als dem Instinkt misstraut und Futter für den Leopardennachwuchs abgegeben.
Intuition erlernen
Intuition ist etwas, das jeder Mensch hat Die Ausprägung ist allerdings sehr unterschiedlich. "Intuition ist erlernbar", beruhigt Linda Roethlisberger und weist darauf hin, dass es dabei nicht um etwas vollkommen Neues geht, sondern vielmehr um die Entfaltung ohnehin vorhandener medialer Anlagen.
Wer seine Wahrnehmung schärft, hat, da sind sich die Experten einig, einen leichteren Zugang zu seiner Intuition. "Sie werden merken, wie sich Ihre Wahrnehmung sensibilisiert und Sie immer feinere Schwingungen und Informationen aus Ihrer Umwelt, auch unsichtbare und scheinbar unhörbare Dinge, aufnehmen und diese positiv für sich nutzen (können)", versichert Linda Roethlisberger.
Ist die Wahrnehmung einmal verfeinert, kann man ganz neue Seiten an sich selbst entdecken. "Je besser Sie sich kennen, desto besser können Sie sich, Ihre Fähigkeiten und auch die Auswirkung Ihrer Ausstrahlung und Ihres Handelns auf die Aussenwelt einschätzen." Dies könne eine enorme Hilfe im Alltag und im Zusammenleben mit anderen bedeuten.
Wahrnehmung schulen
In ihrem Buch Intuition ist erlernbar nennt die Expertin U. a. folgende Vorteile einer entwickelten Wahrnehmung:
Übung macht den Meister
Doch wie genau lässt sich nun der Umgang mit unserer Intuition erlernen? So vielfältig Intuition erfahrbar werden kann, so unterschiedlich sind die übungen, die dabei helfen können die Wahrnehmung und das Vertrauen ins Bauchgefühl zu schulen:
"Es ist paradox, dass wir heutzutage angefangen haben, den Diener zu verehren und die göttlich Gabe zu entweihen."
(Albert Einstein)
Der intuitive sechste Sinn
"Den natürlichen sechsten Sinn zu entwickeln erfordert viel Arbeit und Disziplin", warnt Stuart Wilde, der sich seit rund zwanzig Jahren mit den Themen Bewusstsein und Wahrnehmung befasst. Ein starker Wille sei erforderlich, um das eigene Ego in den Hintergrund zu rücken Wilde unterscheidet drei Bestandteile des sechsten Sinns: der mediale, der intuitive und der allwissende sechste Sinn. "Der intuitive sechste Sinn unterscheidet sich ein wenig von den anderen beiden geistigen Fähigkeiten" doziert er. Häufig geht Intuition auf unterschwellige Informationen über eine Situation zurück die Sie ganz nebenbei - unterhalb der Bewusstseinsschwelle - aufgeschnappt haben."
Die wirksamste Möglichkeit, ich dem intuitiven Wissen zu öffnen sieht Wilde in der Schulung unserer Sinne. "Wenn man trainiert, schneller und detaillierter wahrzunehmen, macht man in diesem Bereich bald Fortschritte", motiviert er und weist darauf hin, dass wir die Sinne, Hören, Schmecken, Riechen und Ertasten in der Regel als selbstverständlich hinnähmen, ohne beispielsweise einmal wirklich hinzusehen.
Hilfreich sei dabei, sich Notizen zu machen. Denn das erfordere Aufmerksamkeit. "So wie das Sehen mit Richtung zu tun hat, geht es beim Hören im wahrten Sinne des Wortes um Verstehen." Es handle sich dabei, so Wilde, um den Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zuzuhören, zu verstehen und offen zu sein für die Eingebungen des Geistes mit seinen subtilen inneren Botschaften.
Zwischen den Zeilen
Besonders hilfreich ist die Intuition in der zwischenmenschlichen Kommunikation und da vor allem, wenn es um die subtilen Signale der Mimik geht. Stuart Wilde empfiehlt, sich bei einem Gespräch einmal nur auf das Gehörte zu konzentrieren, indem man sein Gegenüber nur auf die Nasenspitze schaut, also nicht durch dessen Mimik abgelenkt wird. "Wenn Sie auf diese Weise zu hören würdige Sie die Person, die mit Ihnen spricht", so Wilde. Durch die Konzentration nähme man "die Feinheit hinter dem Gesagten wahr." Allein die Art, wie jemand spricht, die Pausen, die er einlegt, das Tempo, mit dem die Worte hervorquellen, gibt eine wahre Informationsflut für das Unterbewusstsein preis.
Menschen wie Tiere sind Experten darin, in Gesichtern zu lesen. Forscher konnten die Stelle im Gehirn ausmachen, die dafür zuständig ist, der Gyrus fusiformis. Auch dies ein überbleibsel aus grauer Vorzeit, da das Erkennen der Absicht eines Gegenübers möglicher weise Leben retten konnte. Das Gehirn vergleicht blitzschnell bekannte Gesichtsausdrücke und gibt so Rückschlüsse auf den jeweiligen Gemütszustand es Gegenübers.
In einem sind sich alle Experten einig: Wer seine Intuition schult, bereichert sein Leben, sollte sich aber stets vor Augen halten, dass auch das Bauchgefühl einmal völlig daneben liegen kann.
BUCH-TIPPS