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Elementi 39: TRILOGOS Spezial - Die Liebe und ihre Wurzeln

Beziehungsprobleme lösen mit Hilfe von System- und Familienaufstellungen

Ein Großteil der Arbeit in meiner Praxis für systemische Beratung und Therapie hat mit Beziehungsproblemen zu tun.

Beispielsweise kam ein Ehepaar in die Beratung und es stellte sich so dar, dass die beiden außer dem gemeinsam betriebenen Geschäft keinen weiteren Kontakt miteinander hatten. Vor allem deshalb nicht, weil sich der Mann ständig zurück zog. Er fühlte sich unlebendig und konnte keinen rechten Spaß am Leben finden. Dass solch eine Situation, vor allem für die Frau, sehr unbefriedigend war, lässt sich leicht nachfühlen. Trennungsgedanken waren die Folge.

In einer Gruppe und mit Hilfe der Aufstellungsmethode konnten wir bald den "wunden" Punkt finden. Der Vater von diesem Mann hatte einen Bruder, der als kleines Kind unter dramatischen Umständen sein Leben verlor. Dieses Kind wurde in der Familie nicht mehr erwähnt, weil es ein großer Schmerz für alle war. Der Mann war mit dem Schicksal dieses Kindes unbewusst seelisch verbunden und er verhielt sich so, als wenn er nicht richtig "da" wäre und fühlte sich oft wie "tot". Er meinte selbst: "Ich habe kein rechtes Interesse am Leben". Durch diese therapeutische Arbeit kam ein Prozess in Gang, bei dem dieser Mann seinem früh verstorbenen Onkel einen "Platz im Herzen" geben und sich lösen konnte vom Leid seines Vaters und seiner Großeltern. Danach fühlte er sich nachhaltig befreit und konnte sein Leben, zusammen mit seine Frau, besser genießen.

Für unser auf Logik und individuelle Betrachtung ausgerichtetes Alltagsdenken sind solche Zusammenhänge oft schwer zu akzeptieren. Deshalb mache ich einen Schritt zurück und versuche etwas langsamer in diese Materie einzuführen. 

Die Paarbeziehung ist jener Bereich unseres Lebens, in dem wir uns das erfüllende Glück durch die Liebe erhoffen. Schön wäre es, wenn uns der andere so nehmen könnte, wie wir sind. Schön wäre es ebenso, wenn wir den anderen so nehmen könnten, wie er ist. Solch eine Liebe nimmt und gibt ganz gelassen all jenes, was im gegenwärtigen Moment möglich ist und beide Partner fühlen sich wohl miteinander.

Wir sehen jedoch ständig, dass Partner sich gegenseitig überfordern, bekämpfen und mit Vorwürfen traktieren, die teilweise hinter romantischen Liebesidealen versteckt sind. Als Ergebnis davon finden wir Missverständnisse, Distanz und Resignation, ja manchmal sogar Hass. Der Versuch über Erwartungsdruck und Rechthaben oder über Leiden und Ausharren die Liebe nähren zu können, erweist sich bald als Irrtum. Sinnvoller ist es, davon auszugehen, dass gerade durch die Liebe unbewusste Motive aus Kindheit und Herkunftsfamilie ins Spiel kommen und die gegenwärtig mögliche Liebe blenden können.

Das Innenleben der Menschen ist vergleichbar mit den Jahresringen der Bäume. Alles jemals Erlebte ist in jedem Moment wirksam und vor allem sorgt das Wurzelwerk für Wachstum und Entfaltung. In Bezug auf die Menschen wäre das Wurzelwerk die Herkunft, also die Familie oder besser noch: die Sippe als Ganzes. Über dieses Wurzelwerk kommen wir aber auch - meist unbewusst - in Verbindung mit den Schicksalen der Eltern und anderer Angehöriger, mit ihren Liebessehnsüchten und Verletzungen, ebenso mit ihrer Schuld, besonders dann, wenn dort maßgebliche Geschehnisse abgewertet, gefürchtet oder aus vielerlei Gründen ausgeklammert worden sind. 

Ein weiteres Beispiel: Ein junges Paar kommt in die Beratung mit der Frage, ob es Sinn machen würde, dass sie zusammen bleiben. Einerseits würden sie sich sehr gern haben, doch andererseits wäre ihr Alltag manchmal ein kräftezehrendes Drama. Die junge Frau meinte, sie sei sich oft über die Gefühle ihres Mannes zu ihr nicht im klaren, fühle sich dann nicht gesehen, sei manchmal sehr unzufrieden mit diesem Leben und oft bedrückt und traurig. Ab und zu sei sie sehr eifersüchtig. Der Mann meinte, ihre Eifersucht und ihre ganzen "Launen" hätten keinen Grund und er würde unter ihrem Verhalten leiden und er frage sich, womit er das verdient habe. Ihre Auseinandersetzungen endeten oft in wütenden Attacken ihrerseits und in einem resignierten "Dann gehe ich eben" seinerseits. Die Frau fühlte sich dann bestätigt in ihrem Misstrauen, zog sich zurück und versank in einer traurigen Einsamkeit. Der junge Mann lenkte sich durch seine Arbeit ab oder unternahm etwas mit Freunden. Worüber sie wiederum eifersüchtig war, usw.. Ein circulus vitiosus war entstanden. Dieses Paar versuchte zwar immer wieder ihrer Liebe eine Chance zu geben, doch trotz der zärtlichen Versöhnungen war "etwas anderes" stärker und ließ sich allein durch gute Absichten nicht ändern.

Ein wichtiger Grundsatz dieser Methode ist, sich nicht von den „lauten“ Gefühlen oder von logisch-intellektuellen Beschreibungen der Konfliktherde leiten zu lassen, sondern Gefühl und Verhalten dort einzuordnen, wo es passender erscheint und vermutlich hin gehört. Auf die entsprechende Nachfrage hin erzählte diese junge Frau, dass sie ihre Mutter durch Krankheit verloren habe, als sie gerade vier Jahre alt war und sie sei dann bei der Großmutter aufgewachsen. Zwar habe ihr Vater drei Jahre danach wieder geheiratet und sie zu sich geholt, doch sie selbst wäre bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Großmutter gegangen. Sie habe ihre Stiefmutter verabscheut und würde ihre Großmutter als Mutter ansehen. Leider sei die Großmutter gestorben als sie fünfzehn war.

Und so ging die therapeutische Arbeit weiter: Als diese Frau während einer Familienaufstellung mit ihrer Mutter (einer Stellvertreterin) konfrontiert wurde, blieb sie verschlossen und meinte trotzig: "Das ist vorbei und erledigt". Nur die Großmutter (Stellvertreterin) ließ sie in ihre Nähe. Als sie dann in Richtung der Mutter sagte: "Du hast mich im Stich gelassen. Ich will dich nicht sehen!", spürte sie unter der Wut eine große Sehnsucht und Ohnmacht. 

Nach den Streits mit meinem Mann geht es mir oft ebenso, meinte die junge Frau. Dann lege ich mich traurig ins Bett, ziehe die Beine an und umschlinge sie fest mit meinen Armen. Als der Therapeut meinte, dass das eine seltsame Art sei, die Mutter zu umarmen, schaute sie zunächst konsterniert und musste dann lachen. In der Folgezeit ging sie durch einen seelischen Prozess, der über die Wut, die Verlassenheit und den Schmerz zum liebevollen Annehmen der Mutter führte. Als sie sagen konnte "In mir lebst du weiter, Mama, und so bist du immer bei mir", fühlte sie sich besser.

Der junge Mann erzählte davon, dass seine Mutter offensichtlich ähnliches wie seine Frau erlebt habe. Seine Mutter habe ihren Vater nie kennen gelernt. Der Großvater wurde am Ende des Krieges als vermisst gemeldet und man habe von ihm nichts mehr gehört. Der junge Mann meinte, er habe sich als Kind immer Sorgen um die Mutter gemacht. Sie habe viel geraucht und später auch viel getrunken. Die Situation zuhause sei aber immer unerträglicher geworden, es habe viele Szenen gegeben und er sei dann schon früh von zuhause weg: "Ich hab´s nicht mehr ausgehalten dort und bin dann eben gegangen". Auch bei dem jungen Mann ließen sich dann lösende Vorgänge bewerkstelligen. 

Durch diese neue und tief berührende gemeinsame Erfahrung bekam das junge Paar eine gänzlich andere Sicht auf die Spannungen in ihrem Zusammenleben und dadurch eine neue Beziehungsgrundlage. Diese therapeutische Arbeit wirkte nach und die Konflikte der beiden nahmen in Zukunft keine dramatischen Formen mehr an.

Bei Familien- und Systemaufstellungen wird oft erlebt, dass sich Kindheitstraumata und schwere Schicksale der Eltern und weiterer Sippenmitglieder in der Paarbeziehung widerspiegeln. Mehr noch: Dass gerade die besonders leidenschaftlichen oder schwierigen Liebesbeziehungen den Zugang zu tieferen Gefühlsschichten fordern und fördern. Die jeweiligen Partner sind dann erstaunt über ihre "Seelenverwandschaften" bzw. über die Ähnlichkeiten ihrer Herkunftsfamilien. Wenn die alten, in der Regel unbewussten Bindungen gelockert oder gar gelöst werden können, wird das wie eine Befreiung erlebt, die einen gelasseneren Umgang miteinander ermöglicht. Die Lösungsprozesse haben also damit zu tun, dass verinnerlichte Komplexe (Verstrickungen) aufgegeben werden können, weil die bislang ausgegrenzten Anteile auf erwachsenere Weise integriert wurden.

Doch so einfach, wie sich so etwas beschreiben lässt, ist es natürlich nicht. Seelenarbeit bedeutet auch Konfrontation mit altem Schmerz und Verlust von sorgsam gepflegten Träumen oder Illusionen. 

Bei etwas psychologischer Einfühlung können die bisher beschriebenen Vorgänge relativ leicht aufgenommen werden. Schwieriger wird es, wenn Zusammenhänge auftauchen, die dem Alltagsdenken eher magisch oder mystisch vorkommen. 

Die Arbeit mit Familiensystemen öffnet jedoch den Blick in noch weitere Bereiche (Mehrgenerationenperspektive). Demnach sind auch Personen in unserer Seele wirksam, die wir nie gekannt haben, von denen wir vielleicht noch nicht einmal wussten. Davon soll im nächsten Beispiel die Rede sein.

Eine Frau kam mit einer großen Enttäuschung in die Beratung und spielte sogar mit dem Gedanken, aus dem Leben zu gehen. Ihr Freund habe sich von ihr getrennt, weil er eine andere Frau kennen gelernt habe und diese Frau sei von ihm schwanger. Sie beschwerte sich bitter und meinte, dass sie schon früher zwei Männer an andere Frauen verloren habe. Immer nach etwa zwei Jahren. Doch diesmal, vermutlich durch die Schwangerschaft der anderen Frau ausgelöst, hätte sie ganz vernichtende Gefühle von Untergang und Ende. Auf die Frage, welche Frau in ihrer Herkunftsfamilie den Mann an eine andere verloren habe, wusste sie zunächst nichts zu berichten.

Nach einem Telefonat mit ihrem Vater kam Licht in die Sache. Als der Vater nach der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, ging es ihm nicht gut und eine Krankenschwester, die schon im Krieg Soldaten gepflegt hatte und deren Mann gefallen war, nahm sich seiner an. Nach einer Zeit verlobten sie sich miteinander. Etwa zwei Jahre danach lernte der Vater die Mutter dieser Klientin kennen. Als die Mutter schwanger wurde, trennte sich ihr Vater von seiner Verlobten und heiratete die Mutter der Klientin. 

Während der Aufstellung in einer Gruppe spürte diese Klientin die tiefe Verbundenheit zu der Frau, die sie ja nie kennen gelernt hatte. Ihr wurde klar, dass sie auf geheimnisvolle Weise das Schicksal dieser Frau "nachahmte". "Jetzt weiß ich auch, wieso ich solch ein schwieriges Verhältnis mit meiner Mutter habe. Mir ist am liebsten, wenn sie nicht in meiner Nähe ist und ich nichts mit ihr zu tun habe. Meinen Vater dagegen habe ich sehr, sehr gern und möchte ihm ständig helfen", meinte sie. Sie war, wie wir sagen, "identifiziert" mit der früheren Verlobten ihres Vaters. Nachdem sie sich aus dieser Bindung lösen konnte, besserte sich ihr Verhältnis zu ihrer Mutter und der Vater war nicht mehr so wichtig.

Nach einem Jahr kam ein Brief von ihr. Sie schrieb (sinngemäß): "Das wird dich interessieren. Ich wollte immer schon an einem gewissen Ort wohnen und habe viel unternommen, um dort ein kleines Haus zu finden. Nun habe ich erfahren, dass die Verlobte meines Vaters an diesem Ort gewohnt hat. Sie lebte dort allein und ist mittlerweile auch da begraben." Wieder eine Zeit lang danach setzte sie mich in Kenntnis, dass sie ein Kind erwarte und geheiratet habe.

Verständlicherweise stehen solche Erfahrungen und Erkenntnisse in großer Spannung mit den heutigen Vorstellungen über die Liebe. Die Annahme von unbewussten Bindungen passt nicht recht in unsere derzeitige, auf Individualität und Kontrolle ausgerichtete Weltsicht. Doch die Erfahrung zeigt - seit mehr als zwanzig Jahren -, dass durch die Methode der System- und Familienaufstellungen bestimmte Muster im Verhalten und in der Gefühlswelt von Menschen verständlich gemacht und auf eine versöhnende Weise überwunden werden können.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Einsichten, wie beispielsweise die "Ordnungen der Liebe", die Orientierungen darstellen, um spezielle Dynamiken zu lösen, die sich in menschlichen Beziehungen belastend auswirken.

Gerade im Bereich Persönlichkeits- und Bewusstseinsbildung, wie es vom Trilogos gehandhabt und z. T. verlangt wird, kann beispielsweise eine System- und Familienaufstellung die Grundlage schaffen für eine seelisch-geistige Weiterentwicklung oder dem Trilogos-Studenten eine Bestätigung seiner Selbsteinschätzung geben, dass er bereits auf dem ‚richtigen Weg’ ist. 

Es ist das Bestreben von jedermann, über sich selber Bescheid zu wissen.

Die Vorgehensweise bei dieser Methode scheint im Grunde einfach zu sein. Der Klient stellt je nach Problem das innere Bild seines Gegenwartssystems oder seiner Herkunftsfamilie auf. Er wählt aus den Gruppenteilnehmern Stellvertreter für die Mitglieder seines Systems und auch für sich selbst benennt er eine Vertretung. Danach führt er diese Personen entsprechend seinem inneren Bild auf jeweilige Plätze. Der Leiter formt dann mit den Mitwirkenden in einem Interaktionsprozess - meist über mehrere Zwischenstufen - ein Lösungsbild. Früher oder später wird der Klient eingewechselt und er durchschreitet selbst wichtige Prozesse mit Unterstützung eines qualifizierten Leiters.

Natürlich ist es sehr empfehlenswert, sich an erfahrene und seriöse Vertreter dieser Methode zu wenden. Bei Unsicherheiten und Fragen sind Vorgespräche sinnvoll oder es sollte zunächst eine passive Teilnahme an einem Seminar erwogen werden. 

Wilfried De Philipp (Jg.1949), Praxis für Systemische Beratung und Therapie (HPG) in München. Beratung und Therapie für Einzelpersonen, Paare und Gruppen, Coaching, Supervision, Aus- und Fortbildung für Familien- und Systemaufstellungen seit 1987. Seit 1993 auch in der Schweiz.


Gründungsmitglied der Redaktion der Fachzeitschrift "Praxis der Systemaufstellung" und Vorstands-Mitglied der "Deutschen Gesellschaft für Systemaufstellungen (DGfS) e.V.“ .

Weitere Information im Internet unter: "www.de-philipp.de" und "www.familienaufstellung.org"

Zur gründlichen Einführung: 
Gunthard Weber "Zweierlei Glück" Carl-Auer Verlag ( auch als TB im Goldmann-Verlag)

Zur Anwendung von Systemaufstellungen in der Einzelpraxis:
Wilfried De Philipp (Hrsg.) „Systemaufstellungen im Einzelsetting“ Carl-Auer Verlag, 2.Aufl.

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