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Elementi 50: Aus der Schule - Persönlichkeitsbildung: Feeling

von Christin Weiss

Gott sei Danke sagen!

Inspiriert von einem Artikel in einem Norwegischen Wochenendmagazin bin ich mir wieder einmal des Wortes „Danke“ bewusst geworden. Ich möchte deshalb ein paar dankbare Worte über den Wert, den so ein kleines Wort haben kann, schreiben.

Wir führen heute alle möglichen Statistiken. Wir wissen Sachen wie etwa, dass 50% der Weltbevölkerung nie einen Telefonanruf gemacht oder erhalten
haben, für den sie sich bedanken konnten. Oder wir wissen, dass wir während unseres gesamten Lebens, während dem Schlaf, ungefähr 70 Insekten und 10 Spinnen essen, wo uns unser Danken sicher vergeht. Aber wir wissen nicht, wie oft wir pro Tag im Durchschnitt „danke“ sagen. Wir führen dazu leider keine Statistik. Fragen wir heute Leute im hohen Alter, die auch die mageren Jahren durchlebt haben, dann sagen sie laut ihrer inneren „Statistik“, dass das Wort „danke“ heutzutage weniger verwendet wird als früher. Man könnte sagen, dass wenn wir materiell reicher werden, dann werden wir ärmer, was unseren seelischen Reichtum betrifft. Und unser seelischer Reichtum besteht hauptsächlich aus Hoffnung, Glauben, und aus Liebe. Und aus einem nicht all zu kleinen Tropfen Dankbarkeit. Und natürlich Demut. Das alles findet man natürlich im Kaufhaus nicht.

Aber hier kommt nicht ein klagendes Lied, dass Leute heute zu wenig danke sagen oder dass die Jugend frecher ist als früher oder dass sie keine Manieren hat, oder so. Darüber haben schon viel zu viele Leute vor mir geschrieben. Und darüber hat sich keiner bedankt. Vielleicht nur die, die selber meinen, andere sollten mehr danke sagen als sie selber. Denn das Wort „danke“ ist wie eine Welle. Sie fängt in uns selber an, und nur durch einen solchen Anfang kann sie Energie kriegen, damit es ansteckend wird. Und wir müssen lernen, wie es geht. Klar.

Wer kennt wohl nicht das kleine Mädchen oder den Bub, beim Geschenke-aufmachen, wenn die Eltern sagen „und jetzt „danke“ sagen an die liebe Anna für dein Geschenk“. Das kleine Kind schaut auf den Boden mit beschämtem Blick. Es kommt kein Danke, es kommt ein leises „...nke“. Aber, mit der Zeit lernt das kleine Mädchen, dass Anna ihr gern was schenkt, und dass sich das gut anspürt, wenn sie es selber auch macht. Es fängt dann so an, dass das Mädchen selber eines Tages etwas schenken möchte. So beginnt die Welle der Dankbarkeit.

In Norwegen haben wir eine Tradition: Wir sagen fast für alles „danke“, wie etwa „danke für heute“ oder „danke für gestern“, oder sogar „danke fürs letzte mal“ als Hinweis auf das letzte Treffen. Wir haben unter anderem auch die Phrasen „danke, dass es dich gibt“, „danke fürs Gespräch“, und „danke fürs Essen“, und sogar ein „danke für mich“ – wenn man sich beim Wirten bedankt, beim Heimgehen, für die gute Verpflegung und das Essen, oder für was auch immer man sich um drei Uhr früh von Mensch zu Mensch bedanken möchte.

Aber Spaß zur Seite, ich habe einmal eine Frau kennengelernt, die so besessen war davon, dass keiner sie in den letzten Jahren angerufen oder ihr geschrieben hat. Sie hat dieses Lied solange „gesungen“ bis eine andere Frau – die „zufällig“ ihr Leidenslied gehört hat – sagte: „Wann hast du selber jemand angerufen, oder hast jemand anderem eine Postkarte oder einen Brief geschrieben?“ Es war für diese Frau eine unangenehme Wahrheit, dass sie gern von anderen etwas hätte – und beleidigt war, dass sie es nicht bekam. Durch die andere Frau wurde sie darauf aufmerksam gemacht, dass es genau das war, was sie selber anderen bisher nicht gegeben hatte. Sie hat irgendwie erwartet, dass ihre Umwelt schon verstehen würde, was sie gerne hätte, ohne dass sie selber etwas dazu beigetragen müsste.

Das war für sie unangenehm, aber es war auch wahr. Und somit auch eine Chance für sie. Der Schmerz am Anfang der Heilung verwirrt ab und zu und wir sagen in solchen Situationen selten gleich „danke“ – weil vielleicht ein Nerv getroffen ist. Die Frau wollte etwas für andere bedeuten, sie wollte Anerkennung. Die Welle hätte trotzdem bei ihr selbst anfangen müssen. Sie hat so lernen müssen, dass ihr Briefkasten nur mit der Zeit voll wird, wenn sie selber Briefe oder Postkarten an andere schreibt. Sie hat auf diese Weise gelernt, dass sie durch diszipliniertes Horchen auf ihre inneren Bedürfnisse, einen wichtigen Teil ihrer Lebenserwartung erfüllen kann.

Wir können uns bedanken, dass wir von anderen lernen können, um unsere Ressourcen am besten zu verwenden. Es ist psychologisch wichtig sich zu bedanken. Warum? Weil wir damit wissen, dass andere für uns wertvoll sind. Und wenn diese Welle ihren Anfang nimmt, erfasst sie auch uns irgendwann – dass heisst nicht dass wir egoistisch motiviert sind – wenn wir unsere innere Buchhaltung für kollektive Dankbarkeit anschauen sehen wir gleich, dass es was ausmacht, wenn alle heute einmal mehr danke sagen als gestern. Dann schaut die Buchhaltung morgen gleich irgendwie besser aus, und wir sind auch glücklicher – etwas davon verschenken wir an jemanden, etwas kriegen wir. Es gibt viele Wege nach Rom, und wenn wir – wie am Beispiel dieser Frau – lernen können, unsere  radikale Selbstverantwortung zu übernehmen, wenn uns diese Möglichkeit zugefallen ist, dann können wir uns auch beim „Zu-fall“ oder bei unserer höheren Führung bedanken.

So entdecken wir plötzlich sehr vieles worüber wir in unserem Leben dankbar sein können. Es „fällt zu“ uns und wir können kurz und gut „Danke!“ sagen. Und fehlt uns die Dankbarkeit in der Gesellschaft, dann „Gott sei dank“, dass wir es mit einem „danke“ auch ändern können.

Ich schaue auf meine innere Statistik und gebe einen dankbaren lieben Gruss
aus Norwegen ans Trilogos Institut, CH.

Christin Weiss
 

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