Benutzeranmeldung

Sie verlassen die TRILOGOS-Website Deutsch. Möchten Sie auf die englische Website wechseln?

Elementi 06: Irren ist menschlich

sowohl/als auch anstatt entweder/oder

Ein Bericht von Dr. Robert Pleich - München

Besonders erfolgreich war die Wissenschaft in der Vergangenheit immer dann, wenn sie etwas analysieren, auflösen oder in die Bestandteile zerlegen konnte. In der Ökologie allerdings geht es um die Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt. Das macht die Sache wesentlich komplizierter und führt bei Voraussagen oft zu Fehleinschätzungen und groben Irrtümern.

So wurde z. B. nach dem beliebten Negativdenker- Motto «nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten» im SPIEGEL 1985 eine Serie von Artikeln begonnen, die sich mit dem Waldsterben befassten. Es wurde vorausgesagt und dokumentiert, dass der (deutsche) Wald innerhalb von vier Jahren grossteils absterben würde. Daraufhin folgte eine Lawine von überwiegend bestätigenden Artikeln in anderen Zeitschriften.

Glücklicherweise hat sich der Wald nicht an die Voraussagen gehalten und ist heute in einem guten und sich noch verbesserndem Zustand.

Ein weiteres Umweltproblem ist das Ozonloch über dem Südpol der Erde. Die Chemikalien, die es verursachen sollen, werden im wesentlichen auf der Nordhalbkugel erzeugt. Zusätzlich ist der Luftaustausch zwischen Nord- und Südhalbkugel nicht sehr gut. Ob das Ozonloch also ein vom Menschen verbrochenes oder ein über grosse Zeiträume hinweg natürliches Phänomen ist, konnte man bisher nicht zweifelsfrei klären. Ebenso wie beim Waldsterben, sind die genauen Zusammenhänge nicht genügend erforscht.

Wenden wir uns nun der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Medialität zu. Ein alter Wunsch, diese beiden in Einklang zu bringen, zeigt sich in dem immer wiederkehrenden Versuch den Geist, die Aura oder die Lebensenergie irgendwie sichtbar zu machen. Sehr bekannt ist dabei die sogenannte Kirlian- Fotografie, bei der man etwa ein Blatt oder eine Hand direkt auf eine Filmemulsion legt und eine hochfrequente Wechselspannung anlegt. Durch die elektrischen Corona-Entladungen wird der Film belichtet und zeigt Entladungsbüschel, die strahlenartig vom Objekt ausgehen. Aus diesen ästhetisch schönen Bildern sollte auf die Aura und deren Zustand (für diagnostische Zwecke) geschlossen werden können. Leider zeigen die Bilder aber «nur» die Feuchtigkeitsverteilung auf dem Objekt. Statt dadurch enttäuscht zu sein, kann man diese Tatsache allerdings auch positiv sehen und als weitere Bestätigung der bekannten Theorie: «Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar» (Saint-Exupery: Der kleine Prinz) einordnen.

Sogar bei dem eben benutzten «positiven Denken» finde ich noch ein Haar in der Suppe. Allgemein werde ich bei Grundaussagen, die 0% Risiko und 100% Erfolg versprechen, extrem vorsichtig. Genau das suggeriert aber das positive Denken. Dieses – bewusst angewendet – ist durchaus als Gegenpol zu übertriebenem, krankmachendem Negativdenken und als «Stimmungsaufheller» empfehlenswert. Aber das Versprechen von utopischen Dingen wie vollkommen angstfreies Leben, ewige Harmonie, absolute Gesundheit oder zwangsläufig zufallender Reichtum (zumindest den Lottoschein sollte man ausfüllen und auch abgeben!) kann dem Positivdenker schon einige Enttäuschungen bescheren.

Leider ist im täglichen Leben skeptisches Denken einerseits und Intuition andererseits meist ein Gegensatzpaar. Mein Vorschlag ist, hier auf das in unserem Kulturkreis so beliebte entweder/ oder zu verzichten und es eher mit dem sowohl/ als auch zu probieren. Das Beispiel vom Ruderboot kann hier helfen: Dabei fasst man skeptisches Denken und Intuition als Ruder auf. Um voran zu kommen, muss man beides einsetzen. Alleinige Intuition (auch der Bauch kann irren!) führt zu Leichtgläubigkeit und ungesunder Beeinflussbarkeit. Ausschliessliches skeptisches Denken führt zu Starrsinn und Rechthaberei. Aber ich kann mich ja irren...

Bei Fragen, Anregungen oder Einwänden würde ich mich über ein Kommentar sehr freuen!

© TRILOGOS STIFTUNG 2012. Alle Rechte vorbehalten | Letzte Aktualisierung 30.04.2024