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Elementi 07: Wandel - im Spiegel der Natur

von Andre Welti

Die Sehnsucht nach Spiritualität

Meine Hauskatze kümmerts nicht. Sie lebt den Augenblick und schaut nicht zurück und nicht nach vorne. Für sie gibt es weder Stabilität noch Wandel, weil sie das Gegenwärtige weder am Vergangenen noch am Künftigen misst. Erzähle ich aber, dass ich seit 12 Jahren Geschäftsführer von Pro Natura Zürich (Naturschutzbund) bin, staunen einige Leute. Da scheint sich ja nichts zu wandeln. Der Job als Sprungbrett, die Partnerin für den Lebensabschnitt – alles ist im Wandel. Wie der Tag zur Nacht, die Spannung zur Entspannung, die Geburt zum Tod, gehört Wandel aber zur Stabilität. Seelische Ausgeglichenheit kann nur durch den Einbezug beider Gegensätze erreicht werden.

Die Natur gibts

Natürliche Abläufe in unserer Umwelt führen zu absoluter Stabilität, weil sie immer in ein Gleichgewicht münden. Unberührte Natur ist ständig im Wandel auf dem Weg zum Gleichgewicht und damit langfristig gesehen immer stabil. In ihr finden wir das Gegenstück zum rastlosen Wandel und damit Ruhe, Gelassenheit und inneren Frieden.

Das Wesen des Wandels in der Natur

Wären die Alpen eine Insel unberührter Natur, würden gleichwohl Gewitter niederprasseln und Lawinen niedergehen. Lawinen und Regengüsse können ein Bachtobel in einer einzigen Stunde kahlfegen. Buchen, Eschen, Ahorn werden ausgerissen, geknickt. Die Grasnarbe ist weg. Jahre später ist alles wieder überwachsen. Schnell wachsende, anspruchslose Pflanzen haben den Raum besiedelt. Diese Pionierpflanzen wie das Weidenröschen, die Weide und Birke verdanken ihre explosionsartige Ausbreitung dem katastrophenhaften Niedergang der langsamer wachsenden, aber auch langsamer alternden Erle, Esche und Ahorn. Mit zunehmender Stabilisierung des Bachtobels bekommen letztere wieder die Oberhand. Jahrzehnte später schwemmt der reissende Bach das scheinbar stabile Gefüge erneut dahin. Die Stunde der Pioniere ist gekommen. Und so weiter und so fort, über Jahrtausende hinweg. Im Wandel liegt in der Natur die grosse Stabilität. Denn jeder natürliche Vorgang kennt den Abstieg der einen und den Aufstieg der anderen Art. Wer diesen Vorgang des ständigen Wandels nicht zulässt, mit baulichen Massnahmen beispielsweise, verhindert sein Gegenstück, die Stabilität.

Die Natur nimmts

Der Gartenbesitzer beispielsweise, der an der Grundstücksgrenze Thujabäumchen aufreiht um sich vom Nachbarn abzuschotten, will Stabilität mit dem immer gleichen Sichtschutz. Plastikbäumchen täten denselben Dienst. Er beachtet dabei die subtilen Regeln des natürlichen Wandels nicht und es entsteht eine statische Kunstwelt, billige Ersatznatur. Die Stabilität, das Resultat steten subtilen Wandels ist dahin, was auf den Menschen zurückschlägt. Wir fühlen uns nicht mehr eingebettet, wir sind verunsichert.

Viele kleine Massnahmen helfen den Alltag verschönern, uns näher an die Natur zu bringen und uns zu stabilisieren. Erträgt man den Nachbarn wirklich nicht, wäre es besser eine Mauer zu bauen. Das ist ehrlicher und gibt der Wilden Rebe oder dem Efeu die Chance hochzuklettern, zu blühen, sich zu verfärben, Bienen anzuziehen, Wandel zu bringen und die Herzen zu erfreuen.

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