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Elementi 06: Familienaufstellung

nach Bert Hellinger

Familienscript mit Wilfried De Philipp

Wie immer pünktlich um 9.00 Uhr wird das Tagesseminar von Linda Roethlisberger mit einer kurzen Begrüssung eröffnet. Dann werden wir einem gemütlichen, sympathischen Mann überlassen, der mit ruhigem Hochdeutsch von seiner windigen Nacht am Zürichsee erzählt. Ich denke insgeheim, dass es auch heute etwas stürmisch werden könnte und bin gespannt wie ein Regenschirm.

Schon in der Vorstellungsrunde macht uns Wilfried (unser Kursleiter) mit seinem grossen Erfahrungsschatz bekannt: Er gibt uns zu unseren kurzen Aussagen schon erstaunliche Hinweise über allerlei Verstecktes hinter unseren Worten. Ich staune; habe ich doch schon manchen Kurs besucht, aber noch selten in der ersten halben Stunde so viel gelernt. Durch seine klare, aber nicht aufdringliche Art, hat Wilfried schnell unser Vertrauen gewonnen.

Zeit für die erste Aufstellung: Es geht um eine Geschwisterbeziehung. Für alle verständlich und gut verkraftbar – ein sanfter Einstieg. Gleich weiter: Warum schreit das Kind denn immer so? Jeder der selber ein kleines Kind hat wie ich, spitzt die Ohren. Ja genau, es noch besser machen wollen wie die eigene Mutter, das habe ich doch auch schon gehört. Aber dass es für das Kind so eine Wohltat ist, die Eltern umarmt zu sehen, war mir nicht so bewusst. Das will ich mir gleich hinter die Ohren schreiben und auch wieder mehr praktizieren.

Wie kommt man denn zu diesen Aussagen? Es wird ein Problem, z.B. familiärer oder gesundheitlicher Art oder sonst etwas geschildert. Der Kursleiter lässt den Teilnehmer die benötigten Familienmitglieder aus der Gruppe auswählen, inklusive sich selbst. Die ausgewählten «Spieler» werden dann nach seinem Gefühl an den richtigen Platz gestellt. Hat der Teilnehmer das Gefühl, dass jeder am richtigen Ort steht, setzt er sich vor die «Bühne» und das «Theater» läuft. Jetzt passiert das Unglaubliche: Jeder wird ein echter Schauspieler. Man ist nicht mehr sich selbst, sondern hat Gefühle und Empfindungen von jemand anderem, nämlich von demjenigen Familienmitglied, welches man darstellen soll. Jeder ist erstaunt, dass es so einfach läuft. Beim Zuschauen hat man immer das Gefühl, selber könne man das nicht. Aber es geht! Da tauchen Trauer, Wut oder Einsamkeitsgefühle wie aus dem Nichts hervor.

Sobald dann Wilfried spürt, um was es geht, fängt er ganz ruhig und liebevoll an zu führen. Derjenige, der seine Familie aufgestellt hat, kommt wieder an seinen Platz und sieht sich selbst in seiner aufgestellten Familie. Wilfried sagt dann Sätze vor, die er nachsprechen soll. Dies braucht z.T. Überwindung, die Belohnung ist aber Erleichterung; sogar Last in Form von einem symbolischen, schweren Stein durfte der Mutter übergeben werden. (Erstaunlicherweise konnte die Mutter gut damit leben). In die Familien kamen auch die verstorbenen Mitglieder. Das absolut Schönste war dann zu hören, wie der Sohn zu seinem verstorbenen Vater sagt: «Es ist schade, dass du nicht mehr da bist. Deine Liebe aber lebt in mir weiter. »

Mit diesem Satz möchte ich schliessen und alle Liebe unvergänglich bleiben lassen. Gleichzeitig bedanke ich mich nochmals für den interessanten Tag – es war spannend als Zuschauerin und als Schauspielerin.

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